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Der Kulturkampf um die Straßenbeleuchtung in Düsseldorf geht weiter

Es gibt sicherlich Argumente, die historische Gasbeleuchtung in Düsseldorf durch LED zu ersetzen. Die CO2-Bilanz ist klimafreundlicher, die Leuchtqualität besser, die langfristigen Unterhaltungs- und Betriebskosten sind wahrscheinlich niedriger, und die historischen Laternen - sei es nun die "Alt-Düsseldorfer" oder eine andere der insgesamt fünf Düsseldorfer Gaslaternentypen - lassen sich wohl auch mit LED-Leuchten bestücken. Und LED-Licht ist heutzutage so variabel, dass es schon eines professionellen Blicks bedarf, eine gasgefeuerte Straßenlaterne von einer entsprechend eingestellten LED-Leuchte zu unterscheiden.


Und dennoch ist schwer zu verstehen, weshalb dieses Thema im September 2023 erneut im Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf behandelt wurde.


Der Streit um die Gasbeleuchtung, der im Jahre 2015 durch eine Vorlage des seinerzeitigen Verkehrsdezernenten und heutigen Oberbürgermeisters Stephan Keller ausgelöst wurde, gehörte in Düsseldorf wohl zu den zu am kontroversesten und leidenschaftlichsten geführten Auseinandersetzungen der letzten Jahre. Zeitweise nahm die Diskussion Züge eines Kulturkampfes an. Je nach Standpunkt kämpften hier die Bewahrer des kulturellen und industriellen Erbes unserer Stadt gegen seelenlose Effizienz-Fetischisten und Technokraten oder aber Anhänger einer modernen, sicheren und umweltfreundlichen Straßenbeleuchtung gegen ewiggestrige Nostalgiker. Eine rationale Argumentation war vor diesem Hintergrund naturgemäß schwierig.


Umso verdienstvoller war insofern der von Kellers Nachfolgerin Cornelia Zuschke mit großer Akribie erarbeitete Kompromiss, der unter Berücksichtigung aller einschlägigen Belange vorsah, dass von den bis dahin gut 16.000 Gaslaternen längerfristig knapp 10.000 erhalten bleiben sollten. Dieser Kompromiss wurde im Mai 2020 vom Rat nahezu einstimmig beschlossen; im Anschluss daran wurde die historische Gasbeleuchtung unter Denkmalschutz gestellt. Und der Kulturkampf war damit beendet.


Weshalb er drei Jahre später erneut eröffnet wurde, ist so recht nicht zu verstehen. Der Gaspreis jedenfalls kann es nicht sein. Der explodierte zwar zunächst infolge des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine, was den Rat dazu bewog, ein Moratorium über die 2020 beschlossene Modernisierung der Gasbeleuchtung zu verhängen. Mittlerweile aber bewegt sich der Gaspreis praktisch wieder auf Vorkriegsniveau. Und auch in punkto Klima gibt es nichts

Neues. Den Beschluss, dass Düsseldorf schon 2035 klimaneutral sein möchte, gab es jedenfalls bereits vor dem Gasbeleuchtungskompromiss vom Mai 2020.


Erstaunlich ist, dass sich die SPD an die Spitze der Bewegung zur Abschaffung der Gasbeleuchtung gestellt hat. Denn politisch gibt es für Sozialdemokraten hier nichts zu holen. Der Beschluss, die Gasbeleuchtung bis auf 200 Laternen im Hofgarten abzuschaffen, dürfte in erster Linie auf das Konto des heutigen CDU-Oberbürgermeisters einzahlen, da er schon in seiner Zeit als Verkehrsdezernent der leidenschaftlichste Kulturkämpfer gegen das Gaslicht war; seine im Wahlkampf gegebene Zusage, den Kompromiss nicht mehr in Frage stellen zu wollen, war, wie sich jetzt zeigt, wohl eher taktischer Natur. Und die Chance, mit klassisch sozialdemokratischen Themen – Schule und Bildung, Arbeit und Industrie, Daseinsvorsorge – in der politischen Diskussion durchzudringen und punkten zu können, dürfte vor dem Hintergrund einer nun zu befürchtenden Neuauflage der emotionalisierten Debatte um die Art der Straßenbeleuchtung wohl eher gering sein.


Die Erfahrung zeigt, dass die Politik gut daran tut, mühselig erarbeitete Kompromisse nicht dem volatilen Zeitgeist zu opfern. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den von Gerhard Schröder sorgsam ausgehandelten Atomkompromiss. Er wurde von Angela Merkel zunächst aufgemacht, um anschließend vor dem Hintergrund eines Tsunamis im fernen Japan sogar noch verschärft werden. Hätte sie dies sein lassen, stünde es besser um den Wirtschaftsstandort Deutschland und wohl auch um die Kultur des politischen Diskurses.

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