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Peace Now!

Frieden in der Ukraine ist möglich - Deutschland und Frankreich kommt dabei eine Schlüsselrolle zu


Über ein Vierteljahr dauert der Krieg in der Ukraine mittlerweile und ein Ende, so scheint es, ist nicht abzusehen. Russland hat zwar mittlerweile den Großteil des Donbass unter seine Kontrolle gebracht. Aber dennoch ist der Krieg für Putin ein Fiasko. Was als Blitzkrieg geplant war, ist zu einem verlustreichen Stellungskrieg geworden. Entgegen den russischen Propagandalügen, denen womöglich auch Putin selbst aufgesessen ist, sind die russischen Soldaten nicht als „Befreier“ empfangen worden, sondern treffen überall auf erbitterten Widerstand, selbst in den Gebieten, in denen die Verbindungen mit Russland traditionell eng sind und eine Mehrheit der Bevölkerung russisch spricht. International ist Russland weitgehend isoliert und durch einen möglichen NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands droht das Land noch enger von einem Militärbündnis umzingelt zu werden, das sich – auch vor dem Hintergrund des Überfalls auf die Ukraine – immer mehr als Beistandspakt gegen Russland versteht.


In den USA, in den NATO-Staaten Osteuropas, aber auch in Deutschland scheinen immer mehr Vertreter von Politik und Medien der Auffassung zu sein, die Ukraine könne und müsse diesen Krieg gewinnen. Zu einem Frieden könne es erst dann kommen, wenn sich der Aggressor vollständig zurückgezogen habe. Aus diesem Grunde sei der Westen in der Pflicht, der Ukraine alle Waffen zu liefern, die ihr Präsident Selenskyj anfordert, um den russischen Feind zu besiegen.


Unter moralischen Gesichtspunkten erscheint eine solche Position nachvollziehbar. Denn die Ukraine ist das Opfer eines Angriffskrieges und deshalb gehört es sich, ihr beizustehen und den Angriff abzuwehren. Politisch verantwortlich ist dies allerdings keineswegs. Denn militärisch kann die Ukraine diesen Krieg nicht gewinnen. Sollte es Selenskyjs Truppen mit westlicher Hilfe tatsächlich gelingen, die Nuklearmacht Russland an den Rand einer militärischen Niederlage zu bringen, droht die Gefahr des Einsatzes taktischer Atomwaffen. Und dies ist für jeden, der bei Trost ist, ganz offensichtlich ein inakzeptables Szenario.


Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine werden daher allein dafür sorgen, dass die Dauer des Krieges, die Zahl der Opfer und das Ausmaß der Zerstörung immer weiter zunehmen. Und womöglich werden sie dazu beitragen, dass der weitere Vormarsch der russischen Truppen gestoppt wird und es irgendwann einmal zu einem Waffenstillstand kommt an einer Demarkationslinie, entlang derer dann die Grenze zwischen Russland und der Ukraine – jedenfalls faktisch – neu gezogen wird.


Unabhängig davon, ob eine derartige Grenzziehung jemals völkerrechtlich anerkannt würde, wäre eine derartige „Friedenslösung“ aus vielerlei Gründen nicht akzeptabel. Zum einen würde ein Gebietsgewinn Russlands in der Südost-Ukraine den Angriffskrieg Putins letztlich „belohnen“ und aus Sicht der russischen Propaganda rechtfertigen. Auftrieb erhielten auch die Ultranationalisten auf beiden Seiten: im Donbass würden diejenigen triumphieren, die – im Einklang mit der Ideologie des Kremls – der Ukraine eine kulturelle Identität und staatliche Existenzberechtigung absprechen, und im Rest der Ukraine bekämen diejenigen Aufwind, die das Land schon immer „entrussifizieren“ wollten. Und ein kalter Krieg zwischen Russland und der NATO wäre wohl auf unabsehbare Zeit vorprogrammiert einschließlich der Gefahr, dass er gerade in dieser Region jederzeit wieder in einen heißen Krieg umschlagen könnte.


Waffenlieferungen werden also, egal was sie bewirken, kaum zu einer akzeptablen Konfliktlösung führen. Zu einem Verhandlungsfrieden gibt daher keine vernünftige Alternative.


Folgende Punkte könnten eine Grundlage dafür sein:


  • Russland und die Ukraine verständigen sich auf einen sofortigen Waffenstillstand unter internationaler Kontrolle.

  • Russland zieht alle schweren Waffen aus den gegenwärtig von Russland kontrollierten Gebieten der Ukraine ab.

  • Sämtliche Waffenlieferungen an die Ukraine werden eingestellt.

  • Russland und die Ukraine, sowie – als Garantiemächte – Deutschland, Frankreich, die Europäische Union, die Vereinigten Staaten und China führen „2+5“-Verhandlungen über die Nachkriegsordnung der Ukraine. Ziel dieser Verhandlungen ist die Garantie der staatlichen Integrität der Ukraine innerhalb ihrer heutigen Grenzen (mit Ausnahme der Krim) sowie die verfassungsrechtliche Anerkennung der sprachlichen, kulturellen und religiösen Identität aller in der Ukraine lebenden Minderheiten, insbesondere der russischen und russischsprachigen Bevölkerung im Süden und Südosten der Ukraine. Für die Krim wird unter Aufsicht der Garantiemächte ein Referendum vorbereitet, dass spätestens im Jahre 2024 stattfinden und über die staatliche Zugehörigkeit der Halbinsel entscheiden soll. Sollten sich dabei weniger als 50 % der Wahlberechtigten (nicht der abgegebenen Stimmen!) für die Zugehörigkeit der Krim zu Russland aussprechen, bleibt die Krim als autonome Provinz Teil des ukrainischen Staatsgebietes.

  • Zwischen der NATO und Russland werden Verhandlungen aufgenommen mit dem Ziel der Schaffung eines Systems der kollektiven Sicherheit unter Einbeziehung Russlands. Solange diese Verhandlungen nicht abgeschlossen sind, werden keine weiteren Mitgliedsländer in die NATO aufgenommen.


Wenn es zutrifft, dass es in der Außenpolitik primär um die Interessen der beteiligten Parteien geht, dann spricht vieles dafür, dass auf dieser Grundlage der Krieg beendet werden kann und die Chance besteht, eine stabile Friedensordnung zu schaffen.


Aus deutscher und europäischer Sicht muss dieser Krieg so schnell wie möglich beendet werden. Die wachsende Zahl von Kriegsflüchtlingen dürfte dabei noch die geringste Herausforderung sein. Aber ein immer weiter reichendes Sanktionsregime gegen Russland und kriegsbedingt unterbrochene Lieferketten haben schon heute schwerwiegende Folgen für die deutsche und europäische Wirtschaft. Und ausbleibende Nahrungsmittelexporte aus Russland und der Ukraine werden zu Versorgungsengpässen führen mit der Gefahr weltweiter Hungersnöte.


Europa kann kein Interesse an einem kalten Krieg mit Russland haben und noch weniger daran, dass sämtliche wirtschaftlichen Verbindungen mit Russland dauerhaft gekappt werden. Europa wäre damit von vitalen Rohstoffen abgeschnitten und Russland würde nolens volens in die Rolle des Juniorpartners Chinas gedrängt mit offensichtlich gravierenden Auswirkungen auf das globale wirtschaftliche Gleichgewicht.


Und nicht zuletzt wäre eine Friedenslösung, wie sie hier vorgeschlagen wird, auch insofern im europäischen Interesse, als hierdurch die territoriale Integrität der Ukraine als kulturell, sprachlich und religiös plurales Land garantiert und damit klar zum Ausdruck gebracht würde, dass ethnisch homogene Staaten, wie sie vielleicht vom einen oder anderen Ultranationalisten – in der Ukraine oder anderswo – angestrebt werden, nichts mit der europäischen Werteordnung zu tun haben.


Russland dürfte schon deshalb ein erhebliches Interesse daran haben, sich auf eine derartige Friedenslösung einzulassen, weil dem Land hierdurch ein gesichtswahrender Ausweg ermöglicht wird aus der katastrophalen Situation, in die es sich durch den Überfall auf die Ukraine gebracht hat. Denn es ist schon heute offenkundig, dass Russland, selbst wenn die Ukraine nach langen verlustreichen Kämpfen militärisch besiegt werden sollte, den Frieden jedenfalls nicht gewinnen kann. Kein Land würde ein Marionetten-Regime von Moskaus Gnaden jemals anerkennen, und die Ukraine bliebe auf Dauer ein Unruheherd, der früher oder später mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf Russland überschlagen und damit das Machtgefüge im Kreml insgesamt gefährden könnte.


Die Aussicht, infolge der wirtschaftlichen Isolierung des Westens immer stärker in die Abhängigkeit von China zu geraten, ist aus russischer Sicht schon deshalb bedrohlich, weil den 10 Millionen Russen in Sibirien 1,5 Milliarden Chinesen südlich der Grenze gegenüberstehen. Das Sanktionsregime des Westens kann Russland aber nur überwinden, wenn es den Krieg in der Ukraine beendet und die Waffen abzieht.


Das Angebot, die NATO-Beitrittsverhandlungen mit Schweden und Finnland zunächst auszusetzen und stattdessen Verhandlungen mit Russland über ein System gemeinsamer Sicherheit auf Augenhöhe aufzunehmen, müsste für Russland sehr attraktiv sein, jedenfalls dann, wenn die russische Behauptung tatsächlich zutrifft, das Land fühle sich durch die immer engere Umklammerung der NATO bedroht.


Und die Ukraine? Sie sollte naturgemäß ein Interesse daran haben, dass der Krieg so schnell wie möglich beendet wird. Dass eine Aussöhnung mit dem Aggressor und wohl auch mit seinen „Kollaborateuren“ im eigenen Lande nicht einfach werden wird, liegt auf der Hand. Klar ist aber auch, dass diese umso schwieriger, um nicht zu sagen unmöglich wird, je länger dieser Krieg andauert und je erbitterter er geführt wird. Eine Befriedung der Ukraine wird nur möglich sein, wenn nicht unversöhnlicher Nationalismus, sondern die Einsicht die Oberhand gewinnt, dass sich moderne europäische Staaten durch Toleranz und Respekt vor kultureller Vielfalt auszeichnen. Und gerade das muss die Voraussetzung sein für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union, die die Ukraine ja anstrebt.


Deutschland und Frankreich, Bundeskanzler Scholz und Präsident Macron scheinen besonders geeignet zu sein, einen Verhandlungsfrieden herbeizuführen. Beide Länder stehen für die erfolgreiche Aussöhnung ehemaliger „Erzfeinde“. Beide Länder sind Gründungsmitglieder der Europäischen Union und verkörpern in besonderer Weise den europäischen Wertekanon. Beide Länder haben in der Vergangenheit die Ukraine tatkräftig und großzügig unterstützt und gleichzeitig gute Beziehungen mit Russland gepflegt. Und Deutschland steht vielleicht ganz besonders in der Pflicht, als es seine Wiedervereinigung ganz wesentlich dem letzten Präsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschov, zu verdanken hat.


Angesichts einer heraufziehenden Weltwirtschaftskrise mit Hunger und Elend weltweit, angesichts eines drohenden kalten Krieges und neuen Rüstungswettlaufs, vor allem aber angesichts des täglichen Elends in der Ukraine muss dieser Krieg sofort beendet werden.


Herr Bundeskanzler, Monsieur le Président, bitte übernehmen Sie!

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